Krumme Rüebli und unförmige Kartoffeln: Selbst wenn sie perfekt schmecken, endet solches Gemüse heute meist als Biogas. Simon Weidmann wollte das nicht in den Kopf.
«Dieses Wochenende haben wir 400 Kilogramm Spargeln gerettet, die sonst im Biogas gelandet wären. Sie waren krumm, zu dünn, oder die Spitze war nicht mehr so perfekt, wie die Detailhändler das gerne hätten. Völlig absurd. Die Spargeln schmecken wunderbar. Unsere Kunden im Gmüesgarte-Laden sehen das ähnlich, und freuen sich auch über nicht ganz runde Tomaten und klein gewachsene Salatköpfe. Natürlich sind die 400 Kilo nur einen Tropfen auf den heissen Stein – alleine die Produzenten, die uns beliefern, bleiben jede Saison auf acht Tonnen Spargeln sitzen. Aber es ist doch schön, wenigstens einen kleinen Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung zu leisten.
Es war eine Doku, die mich auf das Problem aufmerksam gemacht hatte. Mit meiner Freundin schauten wir «Taste the Waste». Beide waren wir schockiert darüber, wie viele Lebensmittel im Abfall landen. Als wir daraufhin in die Ferien fuhren, notierten wir uns Ideen. Eineinhalb Jahre später eröffneten wir in Bern die Äss-Bar. Dort bieten wir Brot und andere Backwaren an, welche die Bäckereien am Vortag nicht verkaufen konnten und die sonst in der Biogasanlage landen würden. Der Gmüesgarte kam später und eher zufällig dazu. Im Lokal neben der Äss-Bar war ein Nagelstudio eingemietet. Das führte dazu, dass sich der Geruch nach Nagellack auch bei uns verbreitete. Als das Nagelstudio auszog, haben wir das Lokal kurzerhand selbst gemietet. Wir wussten noch gar nicht, was wir damit machen würden. Wir hatten zwei Ideen und entschieden uns am Ende für den Gmüesgarte.
Seither sind wir nicht stehen geblieben, es ist eher so, dass wir wie wild gewordenes Gemüse fröhlich weiterwachsen, in die Höhe und manchmal auch ums Eck. Vor kurzem haben wir ein neues Projekt gestartet: Mit dem Abo FOODSAVE & SOLIDARISCH bewahren wir nicht nur krumme Rüebli und Auberginen mit doppeltem Ende vor einer Verwertung in der Biogasanlage. Abonnent:innen von diesem Package helfen zusätzlich mit, eine faire Bezahlung unserer Produzenten zu sichern, und sie machen es möglich, dass wir armutsbetroffene Menschen regelmässig mit gesundem und originellem Gemüse versorgen können.
Der Gmüesgarte verkauft Produkte, welche die Bauern den Detailhändlern nicht verkaufen können, weil sie nicht exakt deren Standards entsprechen. Wobei unser Laden ja zeigt, wie absurd diese Standards sind – schliesslich sind die Produkte einwandfrei, und die Nachfrage ist gross. Neben dem Kundenkontakt ist auch der Austausch mit den Produzenten schön. Ich erinnere mich an einen Bauer aus dem Berner Seeland. Er ist um die 40, stämmig und kräftig, ein Bär von einem Mann. Wir kauften ihm 200 Kilogramm Zwiebeln ab, die zu klein waren. Er produziert jedes Jahr mehrere Tonnen Zwiebeln, die Menge war für ihn also völlig bedeutungslos. Dennoch sagte er, sichtlich gerührt: «Danke, dass ihr euch für das einsetzt, wofür wir täglich krampfen. Das gibt einem ein gutes Gefühl.»
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