Was machen eine Biologin und ein Umweltingenieur auf 2000 Metern Höhe? Sie züchten visionäre Ideen für ein kluges Morgen. Klingt abstrakt? Könnte es sein, ist es aber nicht, denn die beiden Quereinsteiger probieren einfach aus und testen in ihrem Bergbetrieb Heuberge allerhand gute Ideen.
Nicht, dass das so geplant gewesen wäre: Als Henriks Vater 2011 die drei Berghäuser übernahm, sind Henrik Vetsch und seine Partnerin Sara Wiesendanger eher in die Tourismusbranche mitreingerutscht. Gute acht Jahre später sind sie noch immer dort. Aber längst nicht mehr ohne Plan. In den vergangenen Jahren haben sie die Basis gebaut, auf der sie jetzt grössere Veränderungen ausrollen.
«Von Dezember bis März sind wir non-stop auf dem Berg, das ist eine intensive Zeit. Im Grunde sind wir ein traditionelles Ski-Gebiet, ein Familienbetrieb: Drei Berghäuser, umgeben von geschützter Natur und dem längsten Schlittelweg der Schweiz. Unsere Häuser bilden auf 2000 m ein eigenständiges Ökosystem, fast wie ein kleines Dorf. Unser Betrieb ist in dieser Lage vor allem auf den Winter ausgerichtet, aber auch dazwischen finden Naturgeniesser eine Vielfalt an Wildtieren, Blumenwiesen und die unbeschnittene Fülle des Sommers.»
Sara und Henrik sind das leitende Duo vor Ort und dabei zwei grundverschiedene Charaktere: Für Sara war das Bergleben anfangs mehr eine Zwischenlösung zum Geldverdienen nach dem Studium. «Ich hätte mir auch vorstellen können, etwas ganz anderes zu machen und wäre sehr gerne in die Forschung gegangen. Jeden Tag etwas Neues lernen in einem internationalen Umfeld, das würde mir auch gefallen. Die Community ist hier oben, abseits der grossen Städte, eine ganz andere – spannend ist es dennoch. Meine Rolle ist vor allem kreative Planung im Hintergrund, ich packe aber auch im Daily Business aktiv mit an. Ausgleich finde ich mit dem Pferd in der Natur, denn ich bin eine echte Tagträumerin und beobachte oft einfach meine Umgebung. Wie gerne würde ich für einen Tag die Welt durch die Augen eines Tieres sehen und verstehen.»
Henrik dagegen stellt sich die Frage gar nicht, wo er heute wäre, wenn nicht CEO der Heuberge. «Ich lasse mich treiben und nehme die Dinge, wie sie kommen. Mein Zündstoff sind Gespräche. Oft lösen schon ein paar gewechselte Sätze eine regelrechte Explosion der Inspiration aus – da muss ich dann eher wieder auf den Boden zurückfinden. Meine Lieblingssuperpower wäre deswegen Sprache. Ich würde gerne alle Sprachen der Welt verstehen können. Dieser Wunsch nach Austausch geht bei mir auch nach Feierabend weiter, wenn ich virtuelle Welten nach guten Ideen durchsurfe.»
Beim Start sah es rund um die Heuberge nämlich noch ganz anders aus: ein Naturschutzgebiet voller Umweltsünden. Idyllische Hochmoorlandschaft und blühende Wiesen, dazwischen Generatoren und Skilifte mit alten Schiffsmotoren und Dieselaggregaten. Inzwischen führt eine Strom- und Glasfaserleitung zu den Heubergen.
«Uns war von Beginn an klar: Entweder schliessen wir ganz, weil es konventionell nicht weitergeht, oder wir versuchen neue Wege zu gehen. Sicher kämpfen Betriebe unserer Art insgesamt ums Überleben, wir haben also ein Stück weit auch gar keine Wahl.
Unsere Stärke ist, dass wir von der Ankunft bis zur Abreise alles selbst und damit in einer sinnvollen Form anbieten können. Zu unserem Familienbetrieb gehören nicht nur die Liftanlagen, sondern auch ein Bus-Pendelbetrieb, zwei Restaurants mit Erzeugnissen aus der Region, zwei Bars und sogar eine Solarsauna. 3 Jahre ist es her, seit Heuberge und Lytefire mit der Entwicklung des ersten Prototyps der Solarsauna begann. In der Zwischenzeit wurde viel investiert, weiterentwickelt und nun, ab diesem Winter gibt es in den Heubergen eine neue Solarsauna: mit 8 Plätzen steht die neue Sauna vor dem Berghaus Arflina. Vollautomatisiert und dank Photovoltaik dreht sie sich im Verlauf des Tages nach dem Stand der Sonne und kann die Hitze der Sonne den Tag durch einfangen und speichern. So können die Besucherinnen und Besucher nach dem Skifahren am Abend den Tag mit einem Saunabesuch ausklingen lassen und ein Wellnessvergnüngen ohne CO2 Ausstoss geniessen. Gäste können im Winter aber auch Schlitten, Airboards, Snowboards und Skiausrüstung ausleihen und Skikurse belegen sowie im Sommer mit unseren Bikeboards ins Tal düsen. Für E-Bikes oder E-Autos steht unsere «Saftstation» zum Aufladen parat, auch für Modell- und Gleitschirmflieger bieten wir Platz und Lagerraum.»
Auch wenn es noch ein Anfang ist, brechen Sara und Henrik jetzt auf zur Next Level Innovation. Ihre Ziele stecken die beiden stets mit Deadline. Und Etappen. Wenn etwas nicht klappt, ist das auch nicht weiter schlimm, denn die Vision entwickelt sich stetig. Die Grundpfeiler sind aber simpel und beständig: «Hier oben ist ein toller Ort, um etwas Neues zu entwickeln. Hinter uns liegt ein gewagter Weg, aber wir haben einen grossen Schub in Richtung sinnvoller Zukunft angestossen. Die Naturschutzregion, in der wir hier unterwegs sind, bedeutet Herausforderungen aber gerade das inspiriert uns auch zu neuen Chancen. Denn die Schweiz ist nicht nur wunderschön, sondern mit ihren zahlreichen Universitäten und Spezialisten auch ein super Forschungsstandort. Im Bereich Tourismus sehen wir da eine Nische und genau die treibt uns an. Was wir nun vor Augen haben, nennen wir ein 'TECO-Resort', die Verbindung von Technologie, Umweltaspekten, Co-Working und Bildung. Insbesondere Wissen zu vermitteln, sehen wir als wichtige Chance. Die Menschen, die hier Ferien machen, haben Zeit und eine grosse Offenheit für Input. Das wollen wir nutzen und Zusammenhänge sichtbar machen: Woher kommt das Wasser, wohin fliesst es und was braucht es alles für einen Wasserkreislauf. Wenn wir uns der Zusammenhänge bewusst sind und verstehen, sind wir eher bereit, für einen Mehrwert zu bezahlen. Wir wünschen uns, zu zeigen, wie sich so ein individuelles Skiwochenende auf die Umwelt auswirkt und natürlich selbst kluge Energielösungen anzubieten, um diese Auswirkungen positiv zu gestalten. Die Zukunft zu formen, heisst für uns auch, Urlaub einfach mal da zu machen, wo man lebt. Als Betrieb bedeutet das für uns natürlich entsprechend auch, Möglichkeiten zu bieten für kürzere und nahe Aufenthalte.»
Der Gedanke war schon lange da, die Initialzündung für einen klugen Weg nach morgen kam schliesslich Anfang Jahr, als sie mit dem HEF (Heuberge Ecologic Forum) ein Treffen und einen Ideenspielplatz ins Leben gerufen haben. «Wir tasten uns spielerisch voran und bauen gemeinsam mit Spezialisten und Helden der Region einen Ort, der gut für die Umwelt und für den modernen Komfort des Menschen ist. Es ist wichtig, in die eigenen Ideen zu vertrauen – und sich zu trauen. Raus damit, auf andere zugehen, Menschen sind stets offen und hilfsbereit!»
Das Heuberge-Team formt auch in diesem Sommer an der eigenen Zukunft weiter und baut sein kleines Universum für Pioniere mit der weltweit ersten Solarsauna. Damit Gäste nicht nur die inneren Akkus nachhaltig aufladen, sondern auch die gebündelte Sonnenenergie mitnehmen. Sei es in Form von solargekochtem Essen to go oder wertvollen Eindrücken der puren, schönen Natur. Noch sind sie ganz am Anfang, sicher ist aber: Henrik und Sara laden ein auf ihr innovatives Spielfeld, das sich rund um die gemütlichen Skihütten in der Hochmoorlandschaft entfaltet.
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