Als Bub kurvte Mathis Wackernagel mit seinem Velo auf der leeren Autobahn umher. Später sorgte er an der ETH für Unruhe – und erfand das Konzept des ökologischen Fussabdrucks.
«Es war nur eine kleine Frage. Aber sie führte zu einem mittleren Aufruhr. An einem ETH-Seminar für uns Ingenieurstudenten waren Praktiker aus der Industrie eingeladen, darunter so Kanonenfritzen. Am Ende ihrer Präsentation fragte ich sie: Wie fühlt es sich an, für die Rüstungsindustrie zu arbeiten? Da war erst mal Stille. Sie begannen sich zu rechtfertigen, verhedderten sich aber immer mehr; am Ende musste der Professor eingreifen, der aber auch keine rechte Antwort hatte. Und mir wurde zum ersten Mal bewusst, welchen Einfluss man als einzelner Mensch haben kann: Da hatte ich nur eine klitzekleine Frage gestellt, und schon war der Zug entgleist.
Zuvor hatte ich immer das Gefühl gehabt, in dieser durchorganisierten Schweiz nichts beitragen zu können. Alleine die Strassenschilder, die so perfekt in Reih und Glied aufgereiht waren – es schien uns Junge nicht zu brauchen. Gleichzeitig gab es in der Schweiz und der Welt so viele Dinge, die für mich keinen Sinn ergaben. Unser blindes Vertrauen auf ewiges Öl, zum Beispiel. Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen waren die autofreien Sonntage von 1973, die der Bundesrat wegen der Ölkrise angeordnet hatte. Damals packten wir unsere Velos, fuhren auf der Autobahn umher, überall waren die Leute draussen. Als Bub fragte ich mich: Warum machen wir das nicht immer so? Die stinkenden Autos waren weg, und alle schienen viel zufriedener.
Ich wollte auch deshalb Ingenieur werden, um der Welt zu helfen, auf erneuerbare Energien umzustellen. Im Rahmen meiner Dissertation hatte ich Zeit, tiefer über das Verhältnis zwischen uns Menschen und der Regenerationsfähigkeit der Erde nachzudenken – da entwickelte ich das Konzept des ökologischen Fussabdrucks. Dieser misst, wie viel Ressourcen wir verbrauchen und drückt aus, wie viel Fläche für deren Produktion notwendig ist. Das Resultat: Wir leben über unsere Verhältnisse. Wenn sich alle so verhielten wie die Schweiz, bräuchten wir drei Planeten. Mit meinem Konzept hatte ich wohl einen wunden Punkt getroffen, plötzlich kamen Einladungen von überall her. Später haben wir deshalb in Kalifornien das Global Footprint Network aufgebaut, das den ökologischen Fussabdruck für jedes Land berechnet. Mit den Daten wollen wir aufzeigen, dass ein Weitermachen wie bisher nicht in Frage kommt. Und dass es in unserem Eigeninteresse ist, diesen Trend umzukehren.
Warum mir die Natur so am Herzen liegt? Das geht wohl auf meine Kindheit zurück. Damals verbrachten wir unsere Ferien oft auf dem Bauernhof. Obwohl ich ein kleiner Zwuggel war, liess mich der Bauer jeweils hinten auf dem Traktor sitzen, wenn er das Gras mähte oder die Gülle ausbrachte. Das war für mich das Grösste. Und der Bauer mein Held.»
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